Im Studentenwohnheim werde ich ganz liebevoll von den älteren Damen verabschiedet, dann gehe ich nochmal an der Kathedrale vorbei, um sie im Morgenlicht zu sehen. Der Weg aus der Stadt dauert eine volle Stunde. Am Stadtrand laufe ich auf eine gemischte Gruppe auf, die auch die schönere Wegalternative gehen will: Scott (43) aus Canada, Juki (28?) aus Japan und Ewen aus Irland, rothaarig, 22, Musikstudent. Er textet mich total zu, und so übersehe ich die eigentlich unübersehbaren Hinweise auf den Abzweig zur älteren, aber schöneren Wegalternative. Scott bemerkt es 100m später, beim Zurückgehen begegnen wir der Truppe von Andreas aus Sachsen-Anhalt. Sie wollen km machen, deshalb gehen sie den Weg entlang der Schnellstraße.
Hinter dem nächsten Ort kommen wir an eine „freie“ Verpflegungsstation mit frischem und trockenem Obst, Schokolade-Riegel usw. Da bekomme ich meinen heute schon vermissten frischend O-Saft, von Hand gepresst. Bezahlung ist hier auf Spende! Auf der Bank vor uns sitzen Ernst und Herbert und amüsieren sich über unsere beiden Hundekrauler. Dann gehts weiter, Meseta-Landschaft. Uns kommen auf dem Feldweg nur zwei riesige Traktoren mit ungewöhnlichen Maschinen (Scrabber) entgegen. Was die wohl hier in der brachen Landschaft tun? Scott erklärt mir, dass die Bauern in Canada „kein Geld verdienen“, aber alles vom Größten und Feinsten hätten – kommt mir bekannt vor. Wie in der EU. In der nächsten Ortschaft ist Mittagspause, auch weil Juki nickt. Laut Scott geht es ihr nicht gut, aber bei Asiaten ist ja immer alles in Ordnung. Ernst und Herbert kommen auch in die Bar und holen sich ihr Bocadillo. Ich mache noch Fußpflege, dann gehts weiter. Scott liest mir aus seinem Führer vor, dass hier in der Gegend eine eigene Kultur existiert, die Mazarife, ca. ein Dutzend Dörfer. Stammt angeblich von Berbern aus N- Afrika, die im Schlepptau der Mauren hierher kamen. In Villar de Mazarife macht das Trio Halt, sie haben hier die Herberge gebucht. Der an der Verpflegungsstation zu uns gestoßene Italiener (Fabio, 32?) will weitergehen , denn er hat erst in Leon angefangen und hat nur gut zwei Wochen Urlaub. Ich befrage meine Füße, sie geben grünes Licht. Los gehts. Fabio legt ein gutes Tempo vor, entspricht meiner „Kampfgeschwindigkeit“. Wie auf der „Pilgerautobahn“. Wasser habe ich nachgetankt, also kann nichts passieren.
Nach einer scharfen Kurve sehen wir im Schatten eine Fee sitzen –
Shiny und Chris! Richtig, heute hatten wir uns noch nicht getroffen (wie bisher jeden Tag seit Fromista – ohne jede Absprache. Unglaublich.)
Jetzt ist wieder Ackerbau, riesige Felder. Geht hier dank Bewässerung aus dem großen Kanal (aus den Bergen?) mit verzeigten Verteiler- Wasserrinnen. Dann kommt schon Villavante. Km 32. Halb vier. Die Herberge ist wie beschrieben in einem neuen Haus, alles bicobello, mit freundlichen Wirten und einem kommunikativen Papagei. 22 Betten, AE für 9 €. Da brauche ich gar nicht mehr aus dem Haus zu gehen. Kultivieren, Füße checken und pflegen – sie sind o. k.. Wanderstiefel heute war offensichtlich eine gute Wahl.
Fabio holt mich zum Abendessen. Er erklärt mir, dass ihm morgen auch Astorga (meine Planung, 23 km) genügt. Eine versteckte Ansage, dass er gerne mit mir gehen will?
In der Herberge gibts keinen TV-Kanal für WM-Fußball. Die Chefin verteilt WM-Kalender – eine nette Geste. Nach dem Essen fotografiere ich meinen Bart, mit Fabio gehe ich dann zur (einzigen?) Bar im Dorf, ob es dort Fußball gibt. Die Bar ist total leer. Also kein Fußball heute, macht nix. Wäre eh nur Belgien gegen Algerien. Also schreibe ich den Blog fertig.