Ich will schon loslaufen, da sehe ich Bewegung in der Bar. Die beiden Chicas machen mir auf und ich bekomme meinen Americano plus Croisant. Das AUS-NL-Paar und auch Can aus Korea kommen runter, ich laufe los. Von San Nicolás nach Sahagún sind es 7,5 km. Es ist schon angenehme warm, bald kann ich im bloßen Hemd laufen. Heute hab ich mir mal Leitungswasser in den Tank, schmeckt scheußlich. Auf halben Weg treffe ich auf einen älteren Spanier. Er bedauert, dass wegen meiner mangelnden Spanisch-Kenntnisse keine Unterhaltung möglich ist. Er hält mich davon ab, den Umweg zur ausgeschilderten Kapelle zu nehmen, weil sie geschlossen ist. Sonst habe ich bis jetzt niemand gesehen. Am Ortseingang setzt er sich hin, ich gehe den Weg weiter – hinter den Bahngleisen, über sie drüber zur großen Kirche. Sie ist vom Bauzaun umgeben und geschlossen. 9 Uhr, normal für Spanien. Am der übernächsten Straßenecke ist eine Bar offen, Pilger sitzen davor. Pause ist mir noch zu früh. Im Supermarkt danebenschoss ich mir zwei Pfirsiche und gehe weiter. In dieser Straße wir es immer schmuddeliger, zwei Hand voll Kids stehen rum, jetzt sehe ich die Inschriften der beiden Diskos. Dann geht es gleich zur Stadt hinaus, über eine schöne Brücke mit einem Steinkreuz davor. Ein schönes Bild, das ich von Shagún in Erinnerung behalten werde. Vorbei an einer Camping-Anlage komme ich bald wieder auf die Schotterpiste nach Bercianos. Landschaft immer noch Meseta, eintönig, Sonne, am Wegrand zum Glück einige Bäumchen. Und keine Pilger zu sehen, weder vor noch hinter mir. Ich versuche es mit Singen, geht aber auch nicht lang. Dann hänge ich meinen Gedanken nach, kann mal meine Problemchen wälzen.
Am Ortseingang von Bercianos ist eine einladende Bar. Kakao-Stopp. Der Chef spricht mich auf Deutsch an, ich will ihn nicht auf das Spanien-Spiel gestern ansprechen. Vor der Bar sitzend sehe ich jetzt eine ganze Reihe Pilger vorbeiziehen, auch bekannte, wie das AUS-NL-Paar. Wassertank auffüllen, es sind jetzt 1,5 Stunden nach El Burgo Ranero. Meine Füße rufen sehr heftig nach Aufhören. Ich habe heute die 24 km geplant, mehr nicht. Versprochen. Ich habe Glück und bekomme gerade noch einen Platz in der Albergue Laguna. Zum Einchecken muss ich etwas warten, da mache ich Bekanntschaft mit einem braungebrannten Vierziger, den ich Schon gesehen habe. Er stellt sich als Andreas aus Sachsen-Anhalt vor. Er ist seit dem 3. März unterwegs, von zu Hause losgegangen. Weil sein Vater vier Monate im Koma lag und im Februar gestorben ist. Er ist seit Saint Jean mit einer sechsköpfigen Gruppe aus Italienern, Franzosen und Argentiniern zusammen. Weil die beiden Frauen Probleme mit der Hitze haben, werden sie heute Nacht nach Leon marschieren.
Die Herberge hat einen großen Garten, den kann ich genießen, denn es ist erst kurz nach ein Uhr. Nach Duschen usw. Mache ich mein Nickerchen auf einer Gartenliege, dann schreibe ich Bericht. Da die Herberge kein Essen anbietet, gehe ich jetzt ins Dorf. Ich setze mich zu einem Australier (ca. 55), der von seiner Firma in Sidney entlassen wurde. Jetzt will er nachdenken, was er tun soll. Vom Nebentisch hören wir, dass Australien heute gegen Chile verloren hat. Von ihm erfahre ich, dass ich Sahagún Unrecht getan habe: Sie hatten am Vortag Stiertreiben durch die Stadt und dann bi in den Morgen gefeiert – ich habe also die verkaterte Stadt gesehen.
Obwohl die Sonne noch stechend scheint, macht der heftige Wind sehr ungemütlich, man kann außen nicht mehr sitzen. Zwanzig nach Neun, es wird sehr ruhig in der Anlage. Zu-Bett-Geh-Zeit.