Der Reiseführer beschreibt den heutigen Weg als Pilger-Autobahn. Passt. Denn nach der Brücke an der Stadtgrenze blicke ich auf eine kilometerlange, schnurgerade, zwei Meter breite Piste mit Pilgern wie an der Perlenschnur. Etliche haben im Ort vorher übernachtet, wie ich auch vor hatte, sind also schon eine Stunde länger als ich auf den Beinen. Wie „mein“ Koreaner-Ehepaar und die drei Alaska-Girls. Weil mein Motor wieder optimal läuft und die Blasenschmerzen verdrängen kann, überhole ich etliche Unbekannte: Laute Italiener (der mit dem Sonnenschirm als Hut war gestern in der Pilgermesse), ruhige Franzosen-Paare, ein gemischtes Brasilien-Spanien-Paar und vier junge Koreaner. Der Weg geht so weiter, in Villamentero mit der über dem Dorf thronenden Kirche gibts den geplanten Kakao und Wassertank-Nachfüllung, um dann nach den zweiten 10 km um halb 12 in Carrión de los Condes an meiner Wunsch-Pfarrer-Herberge anzukommen. Zunächst sehe ich sie nicht vor lauter Marktständen, doch dann fallen mir die 30 z. T. jungen Leute in der Reihe auf. Die Herberge öffnet erst um 12, und so komme ich ins Gespräch mit den Koreanern vor mir. Davon stellt sich einer als 34-jährigen Japaner heraus, der z. Zt. auf Welt- Tour ist. Der Sonnenbebrillte, der in Deutsch anfängt, ist katholischer Pfarrer und hat in Bonn promoviert und dort für die China-Mission strategisch gearbeitet. Erzählt interessante Dinge. Jetzt ist er im Süden Koreas Gemeindepfarrer. Er verrät mir, dass er 50 ist. Für Europäer schwer zu erkennen. Und warum sind so viele Koreaner auf dem Camino? 40% aus religiösen Gründen. Und in Korea (10% Katholiken) sei der Camino recht bekannt.
Als die Tür aufgeht, steht eine freundliche junge Nonne da und weist alle ein. Drei freiwillige weibliche Hospitaleros ziehen die Anmeldung und Einweisung durch. 48 Gäste sind gleich eingebuchtet, die zwei Schlafräume sind voll. Gut gelaufen heute Morgen! Die Schwester gibt noch den Tagesablauf bekannt: um 17:30 Andacht, dann gemeinsames Singen; um 20:00 Pilgermesse und anschl. Gemeinsames Abendessen. Jeder bringt was mit, z. B. selbstgekochtes Landestypsches. Mhm. Bin gespannt.
Jetzt muss ich los, denn ich brauche was für morgen, denn da kommt die härteste Einzelstrecke: 18 km ohne Dorf und Wasser. Da stehen die Ersten bestimmt schon um 5 Uhr auf!